Abstract:Die Genderperspektive hat in der theoretischen und praktischen Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Männer sind zwar mit einem Anteil von 80 bis 90 Prozent deutlich häufiger als Straftäter belangt. Weibliche Szeneangehörige und Sympathisantinnen haben jedoch nicht nur ähnlich stark menschenverachtende Haltungen, sondern verüben auch ideologisch motivierte Verstöße und Gewalttaten. Dabei nehmen Mädchen und Frauen spezifische Funktionen innerhalb „ihrer“ Szenen ein: Sie haben strategische Führungspositionen inne, geben den Anstoß für Gewalttaten, üben diese selbst (mit) aus oder liefern ideologische Legitimationen. Darüber hinaus stellen sie einen wichtigen Faktor für den sozio-emotionalen Gruppenzusammenhalt dar. Von Sicherheitsbehörden und Pädagog_innen werden sie dabei häufig übersehen bzw. nicht ernst genommen.
cultures interactive e.V. hat in bundesweiten Fachrunden und Interviews mit Praktiker_innen der Gemeinwesen- und Jugendarbeit, der Ausstiegs- und Familienorientierten Hilfen sowie der Antigewalttrainings die genderbezogenen Bedarfe und Empfehlungen erarbeitet, die für verschiedene Bereiche der sekundären und tertiären Prävention mit weiblichen aber auch männlichen Personen ausschlaggebend sind. Der internationale Austausch in RAN und den EU-Projekten ‚European Fair Skills‘, ‚Community Countering Radicalisation‘, ‚Derad-narratives.eu‘ und ‚Womex.org‘ kommt hinzu. Daraus ergeben sich neue Anschlusspunkte und Herausforderungen für die Soziale Arbeit.
Vortrag in deutscher Sprache mit englischer Übersetzung.
Vita:Silke Baer, Pädagogische Leitung von cultures interactive e.V.
studierte Publizistik/Kommunikationswisse./Nordamerikanistik (MA) sowie Sozialarbeit u. -Pädagogik (Dipl. FH) und ist zertifizierte Mediatorin. Seit 2001 arbeitet sie in der Jugendkulturarbeit, Rechtsextremismus- und Gewaltprävention, konzeptioniert, leitet und evaluiert Modellprojekte. Sie ist Mitbegründerin u. pädagogische Leiterin von cultures interactive e.V. (CI), einem bundesweit und international agierenden Fachträger zu Jugendkulturen und Prävention von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit u.a. Mit dem Ansatz der zivilgesellschaftlichen Jugendkulturarbeit hat CI einen zentralen Zugang für die Arbeit mit Jugendlichen, pädagogischen Fachkräften und Kommunen entwickelt. Seit 2015 wird CI als bundezentraler Träger zur Strukturentwicklung gelungener Präventionsarbeit im Programm „Demokratie leben“ gefördert.
Schwerpunkte der Arbeit von Silke Baer sind die Bearbeitung von rechtsextremen Phänomenen, Strategien der Präventions- und Distanzierungsarbeit, genderreflektierte Ansätze und Stärkung der Chancen und politischen Teilhabe von Jugendlichen sowie sozialraumorientierte Konzepte. S. Baer ist u.a. Mitglied des EU- Center of Excellence des Radicalisation Awareness Network und Mitherausgeberin von "Verantwortlich Handeln: Praxis der Sozialen Arbeit mit rechtsextrem orientierten und gefährdeten Jugendlichen" (2014).