Abstract:Die Denkzeit-Gesellschaft arbeitet seit 14 Jahren erfolgreich mit delinquenten und devianten jungen Menschen - sowohl in Haft, als auch ambulant. Immer wieder haben wir es dabei auch mit radikalisierten oder gefährdeten Klient(inn)en zu tun, bei denen wir eine entscheidende Parallele wahrgenommen haben: Sie verfügen oft nur über bruchstückhaftes Wissen zu politischen und/oder religiösen Zusammenhängen. Aus der Praxis ist die Annahme entstanden, dass es sich bei Radikalisierung in vielen Fällen um ein Phänomen handelt, das auf innerpsychische Instabilitäten zurückzuführen ist, dass die jeweilige Religion oder Ideologie also nur eine unterstützende Rolle spielt. Lern- und verhaltenstherapeutische Ansätze, die meist auf Ideologiearbeit basieren, greifen vor diesem Hintergrund zu kurz. Um diese Lücke zu schließen, haben wir das psychodynamisch fundierte, pädagogische Blickwechsel-Training konzipiert, das die (Identitäts-)Entwicklung durch die Stärkung zentraler Selbst- und Beziehungsregulationsfunktionen (wie z.B. Selbstwert, Gewissensbildung, Antizipation oder Affektwahrnehmung) gezielt unterstützt. Gefördert durch die Landeskommission Berlin gegen Gewalt haben wir im Jahr 2017 eine Pilotphase mit wissenschaftlicher Begleitung gestartet und erste Blickwechsel-Trainings begonnen. Aus unserer Arbeit in diesem Projekt möchten wir praxisnah berichten.