Neuköllner Aufruf der Initiative Gesamtgesellschaftliche Gewaltprävention (IGG)
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Die Initiative Gesamtgesellschaftliche Gewaltprävention (IGG) hat am 13.02.2019 ihren Neuköllner Aufruf für eine nachhaltige Gewaltprävention in Deutschland veröffentlicht und lädt zu einer breiten Strategiediskussion und zur Unterzeichnung ein:
Neuköllner Aufruf
Sicherheit, Gesundheit, respektvolles Zusammenleben:
mehr Lebensqualität durch gesamtgesellschaftliche und nachhaltige Gewaltprävention
Gewalt hat viele Gesichter. Für betroffene Kinder, Frauen und Männer bedeutet sie erhebliches Leid. Sie verletzt ihre körperliche und psychische Integrität und Gesundheit mit oft weitreichenden und langanhaltenden Folgen. Gewalt verstößt zugleich gegen Menschenrechte, Kinderrechte und in unserer Verfassung verbriefte Grundrechte.
Weniger Gewalt bedeutet, sicherer, gesünder und mit mehr gegenseitigem Respekt aufzuwachsen und zusammen zu leben. Das führt zu mehr Lebensqualität bei spürbar verbesserten Beziehungen zwischen den Menschen, zwischen den Geschlechtern und den Generationen.
In den vergangenen Jahrzehnten wurden viele Anstrengungen unternommen, um Gewalt abzubauen. In der Bilanz dieser Aktivitäten stellen Expertinnen und Experten aus allen Bereich der Gewaltprävention, die sich in der Initiative Gesamtgesellschaftliche Gewaltprävention zusammengeschlossen haben, fest: Diese Aktivitäten haben trotz des Rückgangs polizeilicher Registrierungen in einigen Bereichen der Gewaltkriminalität noch nicht zu einer hinreichenden Abnahme von Gewalt geführt. Erforderlich ist eine wirkungsvolle, übergreifende und nachhaltige Strategie der Gewaltprävention, die über die bisherige Praxis einer oft spät einsetzenden Intervention und kurzfristigen Reaktion auf Gewalt hinausgeht.
Gewalt zu reduzieren und vor Gewalt zu schützen, ist verpflichtende Aufgabe des Staates.
Moderne und verantwortungsvolle Politik setzt dabei die Prioritäten neu.
Sie handelt vorausschauend und konzentriert sich auf Gewaltprävention mit dem Ziel, das Entstehen von Gewalt weitest möglich zu verhindern. Sie verfolgt einen in diesem Sinne nachhaltigen Präventionsansatz, der auch auf neue Risiken und gesellschaftliche Herausforderungen angewendet werden muss.
Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die Zukunft unserer Kinder und unseres Gemeinwesens ist es an der Zeit umzusteuern.
Die Initiative Gesamtgesellschaftliche Gewaltprävention ruft die Bundesregierung deshalb dazu auf,
gemeinsam mit Ländern und Kommunen, mit freien Trägern, mit einschlägigen Institutionen und Organisationen aus dem Bereich der Gewaltprävention, mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen einer konzertierten Aktion eine Strategie für die Entwicklung gesamtgesellschaftlicher Gewaltprävention zu erarbeiten. Diese soll in ein bundesweit angelegtes Handlungskonzept münden, das – angepasst an die jeweiligen Umstände vor Ort – in den nächsten Jahren umgesetzt wird.
Nachhaltig gestaltete gesamtgesellschaftliche Gewaltprävention muss dabei
- als frühe Prävention möglichst im Vorfeld der Entstehung von Gewalt ansetzen,
- insbesondere Familien, Kitas, Grundschulen sowie die sie umgebenden Sozialräume und Beziehungsgefüge als Orte der Prävention in den Blick nehmen,
- auf Verhaltens- und Verhältnisprävention bauen,
- gender-, kultursensibel und entwicklungsorientiert gestaltet sein,
- auf Maßnahmen, deren Wirksamkeit nachgewiesen ist, setzen und zugleich für solche offen sein, die auf wissenschaftlicher Basis als erfolgsversprechend gelten,
- die in der Verfassung verankerten Grund- und Freiheitsrechte wahren und darf keine allgemeine Legitimation für deren Beschränkung bedeuten,
- Strafverschärfungen auf der Basis überkommener Strafbedürfnisse eine klare Absage erteilen,
- kontinuierliche Forschung und vor allem die langfristig angelegte Evaluation ihrer Maßnahmen fördern,
- dauerhaft einen effektiven Wissenschafts-Praxis- und Praxis-Wissenschaftstransfer implementieren,
- flächendeckend, verbindlich, langfristig und mit angemessener finanzieller Ausstattung als Regelpraxis implementiert werden und die dafür ggf. erforderlichen gesetzlichen Regelungen auf den Weg bringen,
- auf allen Ebenen, intersektional, ressort- und institutionenübergreifend gestaltet werden,
- die Kooperation mit den Bereichen Bildung, Erziehung, Gesundheit und Public Health vertiefen,
- angemessenen Schutz vor Gewalt sicherstellen und von Gewalt betroffene Menschen bedarfsgerecht und wirksam unterstützen,
- zur weiteren Ächtung von Gewalt beitragen,
- die Menschenrechte und die Ziele nachhaltiger Entwicklung der Vereinten Nationen sowie europäische Empfehlungen und Vereinbarungen als wesentliche Richtschnur ihrem Handeln zugrunde legen.
Mit Blick auf die Umsetzung nachhaltiger gesamtgesellschaftlicher Gewaltprävention ruft die
Initiative Gesamtgesellschaftliche Gewaltprävention die Bundesregierung dazu auf,
- die Entwicklung einer Strategie und eines konkreten Handlungskonzepts für eine nachhaltige gesamtgesellschaftliche Gewaltprävention zeitnah zu initiieren,
- das Handlungskonzept in Übereinstimmung mit den Zielen nachhaltiger Entwicklung und anderen staatlichen Verpflichtungen schrittweise bis 2030 umzusetzen,
- zur Gestaltung dieses Prozesses ein Forum zu schaffen, das sich aus Vertreterinnen und Vertretern des Bundes, der Länder, der Kommunen, von einschlägigen Verbänden, der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft zusammensetzt, sowie
- für dessen Organisation und Durchführung eine geeignete Struktur zu schaffen und notwendige Ressourcen zur Verfügung zu stellen.
Wir laden Sie ein, diesen Aufruf unter www.gewalt-praevention.info zu unterzeichnen (bis zum 21.05.2019 als Erstunterzeichnerin/Erstunterzeichner)
und in unserer Initiative mitzuwirken.
Initiative Gesamtgesellschaftliche Gewaltprävention (IGG)
Dr. Sabine Bohne, selbstständig, Osnabrück
Prof. Dr. Heinz Cornel, Alice Salomon Hochschule Berlin
Wolfgang Kahl, Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention (DFK), Bonn
Erich Marks, Geschäftsführer des Deutschen Präventionstages, Hannover
Anna Rau, Geschäftsführerin des Deutsch-Europäischen Forums für Urbane Sicherheit e.V. (DEFUS), Hannover
Dr. Robert Schlack, Berlin
Vertr. Prof. Dr. Monika Schröttle, Forschungs- und Beobachtungsstelle Gewalt, Geschlecht, Menschenrechte
am Institut für empirische Soziologie (IfeS), Nürnberg
Stephan Voß, Alice Salomon Hochschule Berlin
Prof. Dr. Klaus Wahl, Psychosoziale Analysen und Prävention – Informations-System, München
Berlin, den 13.02.2019
IGG@gewalt-praevention.info
Ich möchte den Neuköllner Aufruf unterzeichnen
www.praeventionstag.de