39. Zwischenruf: Erich Marks im Gespräch mit Obaidullah Tanha

Erich Marks
DPT – Deutscher Präventionstag

Today is Wednesday, 16 September 2020. I am Erich Marks and, as CEO of the German Prevention Congress, I am pleased about your interest in our interim calls for prevention.

I would like to welcome Mr. Obaidullah Tanha on the telephone in the Afghan capital Kabul. Mr Tanha is the coordinator of the Civil Peace Service (ZFD) of the German Society for International Cooperation (GIZ) in Afghanistan.

Mr. Tanha, I welcome you warmly, thank you for your willingness to make this interview. May I first ask you, which challenges for prevention work do you consider to be particularly important at present and in general?
It has been almost 4 decades that Afghanistan suffers from civil war. The current generation of young people has also grown up in conflict and violence, so it is very common that they use violence as a mean to solve problems. In many cases they see actions of violence as a tradition or connect it to religion, specially the violence they do against women. Therefore, violence prevention work is most likely to change the mindset or believe of people. The Corona crisis adds to the existing problems, because all family members are at home all the time and many people are jobless. Those who worked as daily workers lost their income and providing bread to the family is very hard. Additionally, Corona provokes another kind of stress that often leads people to violence. As gatherings are not possible, we cannot contribute enough working on violence prevention. We as the Civil Peace Service (CPS), focus our methods and approaches on people interacting and exchanging very closely with each other. Of course, we are doing our trainings now partly by digital means. However, this cannot substitute the physical presence of people.  

What is the central concern of your message today?
The Afghanistan government has intra-afghan talks with Taliban ahead, and it is not clear if the talk will lead to peace. Nobody knows if an agreement will be reached or what will happen to the achievements we made in the last 19 years such as: freedom of women, freedom of speech, personal freedom, improvement of the education system etc….. I can personally not imagine that these freedoms could be limited as a condition for peace. And if there is no agreement – for how long will the war continue? Beside this, I see people who had no income in the last 3-4 months and there is no compensation by the state. Their life condition is very poor, they need urgent support.

The above-mentioned situation stresses the people and as they don’t know how to cope with stress, some of them turn to violence which harms themselves and others around them. The youth suffers very much from the current situation. Through life skills elements, we as Civil Peace Service (CPS), work with the youth to support them in coping with stress, and dealing constructively with their emotions and not losing their hope. In our trainings we focus on how to help oneself and those around you by avoiding violence. In such a difficult situation CPS’ work on prevention of violence is very important and helpful. We see that those young people with whom we work behave differently, they are able to control or deal with their anger. Their family members are happy for their contribution in creating a peaceful environment in the family and preventing actions of violence among siblings and others around.

In conclusion, I would like to ask you to give a brief summary of your concerns today.
We hope that our work as CPS contributes to a culture of peace and nonviolence promoted by the youth. Corona is a concern, which worries us a lot in relation to our work. As the Afghan state cannot provide enough services, a second wave of the pandemic will be very hard for us to cope with. It is not only because of the physical losses, but it also harms people mentally and mental services are very poor in this country. At the same time we hope very much for the peace talks to start and to end in a satisfying result, so that the people can live in a peaceful environment after decades of war.

Mr Tanha, thank you very much for your interjection today. I wish you every success and the necessary resources for your continued engagement, and remain healthy.

Heute ist Mittwoch, der 16. September 2020. Ich bin Erich Marks und als Geschäftsführer des Deutschen Präventionstages freue ich mich über Ihr Interesse an unseren Zwischenrufen zur Prävention.

Zum heutigen Zwischenruf begrüße ich am Telefon in der Afghanischen Hauptstadt Kabul Herrn Obaidullah Tanha. Herr Tanha ist Koordinator des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Afghanistan.
Herr Tanha, ich begrüße Sie herzlich, danke Ihnen für Ihre Bereitschaft zu diesem Zwischenruf und darf Sie zunächst fragen, welche Herausforderungen für die Präventionsarbeit erscheinen Ihnen aktuell und generell besonders wichtig?

Afghanistan leidet seit fast vier Jahrzehnten unter einem Bürgerkrieg und auch die heutige Generation junger Menschen ist in Konflikten und Gewalt aufgewachsen. Gewalt als Mittel zur Lösung von Problemen einzusetzen ist leider weit verbreitet. In vielen Fällen sehen vor allem junge Menschen Gewalthandlungen als Tradition oder verbinden sie mit Religion. Insbesondere die Gewalt gegenüber Frauen ist von solcher Motivation bestimmt. Daher ist die Präventionsarbeit so wichtig, sie kann Einstellungen oder Narrative von Menschen verändern. Die Corona-Krise schärft die bestehenden Probleme im Land dadurch, dass deutlich mehr Familienmitglieder konstant zu Hause versammelt sind und viele Menschen ihre Arbeit verloren haben. Denjenigen, die als Tagelöhner gearbeitet haben, bricht ihr Einkommen weg, und die Versorgung der Familie mit einfachen Lebensmitteln ist schwierig. Darüber hinaus provoziert die Corona-Krise eine andere Art von psychischem Stress, der die Menschen oft zu Gewalt führt. Da Versammlungen nicht möglich sind, können wir als Programm derzeit nicht genug zur Gewaltprävention beitragen. Als Ziviler Friedensdienst (ZFD) konzentrieren wir unsere Methoden und Ansätze darauf, dass Menschen sehr eng miteinander interagieren und sich austauschen. Natürlich machen wir unsere Trainings jetzt teilweise mit digitalen Mitteln. Dies kann jedoch die physische Anwesenheit von Menschen nicht ersetzen.

Was ist das zentrale Anliegen Ihres heutigen Zwischenrufes?
Die afghanische Regierung hat Gespräche mit den Taliban vor sich, wobei nicht klar ist, ob diese Gespräche zu Frieden führen werden. Niemand weiß, ob ein Abkommen zustande kommt oder was mit den Errungenschaften geschieht, die wir in den letzten 19 Jahren erreicht haben, wie z.B.: Freiheit der Frauen, Meinungsfreiheit, persönliche Freiheit, Verbesserung des Bildungssystems usw... Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass diese Freiheiten als Voraussetzung für den Frieden eingeschränkt werden könnten. Und wenn es keine Einigung gibt - wie lange wird der Krieg weitergehen? Daneben sehe ich Menschen, die in den letzten 3-4 Monaten kein Einkommen hatten, und es gibt keine Entschädigung durch den Staat. Ihre Lebensbedingungen sind sehr schlecht, sie brauchen dringend Unterstützung.

Die oben erwähnte Situation belastet die Menschen sehr. Weil viele von ihnen nicht wissen, wie sie mit Stress umgehen sollen, wenden sich einige der Gewalt zu, die ihnen selbst und anderen in ihrer Umgebung schadet. Die Jugend leidet besonders stark unter der gegenwärtigen Situation. Daher setzen wir als Ziviler Friedensdienst (ZFD) bei der Förderung von Jugendlichen an. Durch das Training bestimmter „Life skills“ unterstützen wir die jungen Menschen dabei, mit Stress umzugehen, konstruktiv mit ihren Emotionen umzugehen und ihre Hoffnung nicht zu verlieren. In unserer Arbeit konzentrieren wir uns darauf, wie das Meiden von Gewalt einem selbst und seinen Mitmenschen hilft. Gerade in der jetzigen schwierigen Situation ist die Arbeit des Zivilen Friedensdienstes zur Gewaltprävention sehr wichtig und hilfreich. Wir sehen, dass die jungen Menschen, mit denen wir arbeiten, sich anders verhalten, sie sind in der Lage, ihre Wut zu kontrollieren. Ihre Familienmitglieder freuen sich über ihren Beitrag zur Schaffung eines friedlichen Umfelds in der Familie und zur Verhinderung von Gewalttaten unter Geschwistern und anderen Personen in ihrer Umgebung.

Abschließend bitte ich Sie noch um eine kurze Zusammenfassung Ihres heutigen Anliegens.
Wir hoffen, dass unsere ZFD-Arbeit zu einer Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit beiträgt, die von der Jugend gefördert wird. Die Corona-Krise ist ein Anliegen, das uns im Zusammenhang mit unserer Arbeit sehr beunruhigt. Da der afghanische Staat nicht genug Leistungen erbringen kann, wird eine zweite Welle der Pandemie für uns sehr schwer zu verkraften sein. Sie ist nicht nur wegen der physischen Verluste eine Herausforderung, sondern schadet den Menschen auch psychisch. Das trifft die Bevölkerung besonders hart, da psychische Unterstützung ist in diesem Land kaum vorhanden ist. Gleichzeitig hoffen wir, dass die Friedensgespräche beginnen und mit einem zufriedenstellenden Ergebnis enden, so dass die Menschen nach Jahrzehnten des Krieges in Frieden leben können.

Herr Tanha, ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihren heutigen Zwischenruf, wünsche Ihnen für Ihr weiteres Engagement viel Erfolg und die erforderlichen Ressourcen, und bleiben Sie gesund.


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