Gleich noch ein zweites Mal kam der Deutsche Präventionstag zu seinem dann 7. Jahreskongress in das Congress Center Düsseldorf. Vom 26. bis 28. November 2001 fanden sich die Präventionsfachleute hier zum Schwerpunktthema „Entwicklungen in Gesellschaft und Politik – Herausforderungen für die Kriminalprävention“ zusammen. Diesmal übernahm der Saarländische Ministerpräsident Peter Müller die Schirmherrschaft.
25 Jahre Deutscher Präventionstag
Ein Videobeitrag von Norbert Seitz
Vorstandsmitglied der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention (DFK)
Ein Textbeitrag von Stefan Daniel und Wolfgang Kahl
Stefan Daniel: Jurist, geschäftsführender Vorstand und Leiter der Geschäftsstelle der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention (DFK)
Wolfgang Kahl: Kriminalbeamter, Mitarbeiter der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention (DFK) und Chefredakteur der Zeitschrift „forum kriminalprävention“
Deutscher Präventionstag (DPT) und Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention (DFK) als Partner in den Handlungsfeldern der Prävention
1. Einführung
Die Gründung der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention (DFK) im Jahr 2001 war Ausdruck einer Entwicklung, die damit begonnen hatte, dass sich seit 1990 kommunale Präventionsräte bildeten, auf Länderebene korrespondierende Koordinierungsgremien entstanden und nicht zuletzt seit 1995 jährliche Präventionskongresse zur konstanten Plattform eines bundesweiten Diskurses zur Kriminalprävention in Deutschland wurden1.
Im Gründungsjahr des DFK konnte bereits der 7. Deutsche Präventionstag (DPT) in Düsseldorf stattfinden und die Arbeit des DFK inspirieren. Zudem war die Stiftung Partnerin des Kongresses geworden. Die auf nationaler Ebene durchgeführte stetig anwachsende Veranstaltung bot (und bietet) seither mit einem jeweils gewählten Schwerpunktthema Gelegenheit, aktuelle und grundsätzliche Fragen der Kriminalprävention und ihrer Wirksamkeit zu erörtern sowie Partner in der Präventionsarbeit zusammenzuführen. Für die Stiftung eine gute Anknüpfungsmöglichkeit, gemeinsam mit dem DPT zentrale Aufgaben in einem noch vergleichsweise neuen kriminal- bzw. gesellschaftspolitischen Handlungsfeld zu gestalten.
Für beide Akteure gab es nicht immer hinreichend gesicherte Rahmenbedingungen für eine kontinuierliche Fortentwicklung ihrer Strukturen und Arbeitsmöglichkeiten, so dass Unterstützungen immer wieder neu insbesondere mit staatlichen Geldgebern auch auf Bundesebene ausgehandelt werden mussten, etwa um 2012 über das DFK die Stiftungsprofessur für Kriminalprävention und Risikomanagement an der Eberhard Karls Universität in Tübingen zu etablieren oder 2016 die Forschungsstelle „Nationales Zentrum für Kriminalprävention“ beim DFK einzurichten. Trotzdem sind seither Fortschritte und Dynamik immer wieder spürbar.
Der Beitrag zur Festschrift anerkennt mit viel Respekt und großer Freude, wie der DPT die Veranstaltungen von einer kriminalpräventiven Fachtagung im kleineren Kreis zu einem umfassenden, national wie international anerkannten Kongress für verschiedene Handlungsfelder der Prävention und Förderung ausbauen sowie um eine Vielzahl von weiteren Wissenstransferformaten (z.B. DPT-Dokumentation, Tägliche Präventionsnews, DPT-Map oder digitale Prävinare) ergänzen konnte.
Nachfolgend werden die programmatischen Leitlinien von DPT und DFK gegenüber- und ihre Gemeinsamkeiten herausgestellt. Es folgt eine Übersicht zu den Kooperationsformaten, die im Laufe der Zeit zugenommen haben und auf eine noch stärkere Verzahnung in den kommenden Jahren hinweisen. Zentrale Aussagen aus bedeutsamen Kongresserklärungen zeigen sodann, wie die übereinstimmende Programmatik in konkrete Forderungen einmündete und runden das Bild ab.
2. Programmatik der zentralen gesamtgesellschaftlichen Präventionsakteure auf Bundesebene
DFK und DPT gehen von der zentralen kriminologischen Erkenntnis aus, dass Ursachen von Kriminalität zumeist nicht durch repressive Maßnahmen von Justiz und Polizei beseitigt werden können, sondern dass dafür präventive Ansätze in einer großen Bandbreite von einer Vielzahl unterschiedlicher staatlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure sinnvoll und notwendig erscheinen.
Im DPT-Leitbild heißt es: „Der Deutsche Präventionstag wurde 1995 als nationaler jährlicher Kongress speziell für das Arbeitsfeld der Kriminalprävention begründet. Von Beginn an war es das Ziel, Kriminalprävention ressortübergreifend, interdisziplinär und in einem breiten gesellschaftlichen Rahmen darzustellen und zu stärken. Nach und nach hat sich der Deutsche Präventionstag auch für Institutionen, Projekte, Methoden, Fragestellungen und Erkenntnisse aus anderen Arbeitsfeldern der Prävention geöffnet, die bereits in mehr oder weniger direkten inhaltlichen Zusammenhängen stehen. […] Der Kongress wendet sich insbesondere an alle Verantwortungsträger der Prävention aus Behörden, Gemeinden, Städten und Kreisen, Gesundheitswesen, Kinder- und Jugendhilfe, Justiz, Kirchen, Medien, Politik, Polizei, Präventionsgremien, Projekten, Schulen, Sport, Vereinigungen und Verbänden, Wissenschaft und alle anderen Interessierten. Der Deutsche Präventionstag will als jährlich stattfindender nationaler Kongress:
- aktuelle und grundsätzliche Fragen der verschiedenen Arbeitsfelder der Prävention und ihrer Wirksamkeit vermitteln und austauschen,
- Partner in der Prävention zusammenführen,
- Forum für die Praxis sein und Erfahrungsaustausch ermöglichen,
- Internationale Verbindungen knüpfen und Informationen austauschen helfen,
- Umsetzungsstrategien diskutieren,
- Empfehlungen an Praxis, Politik, Verwaltung und Wissenschaft erarbeiten und aussprechen.“
Die Stiftung DFK sieht sich im Sinne einer Vision als „das unabhängige Zentrum der gesamtgesellschaftlichen Prävention in Deutschland. Sie übernimmt eine Leitfunktion in sozialen, ethischen, interkulturellen und erzieherischen Fragen im Interesse einer sicheren, kriminalitätsarmen und lebenswerten Gesellschaft, in der jeder Einzelne wie alle Institutionen verantwortlich zur Vermeidung von Risiken und zur Gestaltung des Zusammenlebens beitragen.“
Im DFK-Leitbild heißt es sodann: „Die Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention
- sieht gesamtgesellschaftliches, auf Nachhaltigkeit angelegtes Wirken als unabdingbare Voraussetzung für eine effektive Reduzierung von Kriminalität und Gewährleistung größtmöglicher Sicherheit an; Kernanliegen ist es, Prävention als Aufgabe in der Verantwortung jedes Einzelnen und aller Institutionen zu etablieren.
- versteht sich als kompetentes Bindeglied zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik und fördert die Kooperation und Vernetzung der unterschiedlichen Präventionsakteure.
- bezieht Position im Zusammenhang mit präventionsrelevanten Fragestellungen im Kontext der inneren Sicherheit und vertritt diese konsequent nach außen.
- widmet sich proaktiv präventionsrelevanten Fragestellungen und stellt dabei Handlungsfelder übergreifende Themen in den Mittelpunkt.
- setzt sich für eine Stärkung der Erziehungskompetenz von Familien, Kindertagesstätten und Schulen ein.
- trägt dazu bei, dass Präventionsansätze und Einwirkungsmöglichkeiten sowie technische Prävention aufeinander abgestimmt den vielfältigen Entstehungsbedingungen und Wirkungszusammenhängen von Kriminalität Rechnung tragen.“
Beide programmatischen Bekenntnisse stellen heraus, dass Kriminalitätsprävention nicht nur im Handlungsfeld der öffentlichen Sicherheit und ihrer unmittelbaren Agenturen zu verorten ist. Vielmehr ist eine große Zahl von staatlichen und gesellschaftlichen Partnern beteiligt, um Entstehungsbedingungen, Wirkungszusammenhänge und Dynamik von Kriminalität sowie auch anderer problematischer Verhaltensweisen (z.B. Mobbing, Sucht) zuvorzukommen. Damit einher geht das Selbstverständnis, dass Prävention in eine offene, demokratische, freiheitliche und soziale Gesellschaft eingebettet ist und repressive wie präventive Sicherheitsbemühungen an rechtsstaatlichen Grenzen haltmachen müssen, weshalb ein alles kontrollierender Präventionsstaat abzulehnen ist.
DPT und DFK betonen die Notwendigkeit guter Kooperation für den Erfolg des Zusammenwirkens, eine in der Praxis nicht immer einfache Aufgabe angesichts im Detail unterschiedlicher Interessen, Handlungslogiken, Herangehensweisen und Ressourcen. Das Zusammenspiel von Politik, Praxis und Wissenschaft wird beiderseits stark betont.
Evidenzorientierung bei der Qualität von Präventionsarbeit wird zwar nicht ausdrücklich erwähnt, wohnt aber dem gemeinsamen Paradigma wissenschaftlicher Fundierung von Strategien und Praxiskonzepten inne.
Prävention ist von vielfältigen Rahmenbedingungen abhängig, die von politischen Entscheidungsgremien und -trägern etwa in Form von Gesetzen, Verordnungen, Institutionalisierungen, Kooperationsvereinbarungen und finanziellen Absicherungen gestaltet werden. DPT und DFK wollen die Bundespolitik in die Verantwortung nehmen und beraten diese etwa beim institutionellen Ausbau der Prävention oder bei der Planung und Bewilligung von Projektförderungen sowie im Hinblick auf gesetzgeberische Vorhaben.
Darüber hinaus sind beide Institutionen in vielfältiger Weise mit internationalen Partnern vernetzt, beispielsweise mit dem Europäischen Netzwerk für Kriminalprävention (EUCPN) oder dem Europäischen Forum für urbane Sicherheit (EFUS), um auf diesem Wege einen Beitrag hin zu einem europäischen Präventionsverständnis zu leisten und praktisches Wissen zu einzelnen Präventionsvorhaben weiterzugeben.
Zusammengefasst zeigen die Leitbilder von DPT und DFK, dass Prävention weit über sicherheitsbehördliche bzw. polizeiliche Herangehensweisen hinausgeht und besonderer Kooperation bedarf.
3. DPT und DFK als Kooperationspartner
Von Anbeginn unterstützt das DFK den jährlichen Kongress mit einem finanziellen Beitrag, in den letzten Jahren aus Fördermitteln des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV). Weiterhin ist das DFK als ständiger Veranstaltungspartner im Programmbeirat des DPT vertreten. Der DPT-Geschäftsführer wiederum unterstützt den DFK-Vorstand in der Funktion eines Beisitzers. Neben diesen formalisierten Kooperationen lebt die Zusammenarbeit der Institutionen jedoch insbesondere von gegenseitiger Wertschätzung, einem gemeinsamen Präventionsverständnis, wechselseitiger Beratung und einem gelebten Austausch.
3.1 DFK als Partner der jährlichen Präventionstage
Bei den Kongressen ist das DFK stets mit einem Informationsstand vor Ort und präsentiert die Arbeitsergebnisse in Printformaten (z.B. mit der Zeitschrift „forum kriminalprävention“, zahlreichen Fachbroschüren und Handreichungen) oder in Vorträgen und Projektspots, aber auch im Gespräch, wozu ausgiebig Gelegenheit etwa bei den Abendveranstaltungen geboten wird. Aus Sicht des DFK sind aus der Kongresshistorie einige Programmbeiträge hervorzuheben:
- 9. DPT 2004 in Stuttgart: Workshop zum Thema „Hass und Gewalt – Neue Wege in der Prävention“, bei dem die Forschungsergebnisse und Empfehlungen aus dem Projekt "Primäre Prävention von Gewalt gegen Gruppenangehörige – insbesondere junge Menschen" vorgestellt und diskutiert wurden.
- 10. DPT 2005 in Hannover: Expertenworkshop zum Thema „Ältere und pflegebedürftige Menschen als Opfer von Gewalt im sozialen Nahraum und Präventionserfordernisse“.
- 13. DPT 2008 in Leipzig: Workshop „Bürgerengagement in der kommunalen Kriminalprävention – Beiträge aus der aktuellen Forschung zu Konzeption, Wirklichkeit und Entwicklungsmöglichkeiten“, bei dem DFK und ausgewiesene Expertinnen und Experten ihre aktuelle empirische Forschung vorstellten und diskutierten.
- 15. DPT 2010 in Berlin: Vortrag „Impulse für das kommunale Präventionsmanagement“ und Diskussion zur Fortentwicklung des Handlungsfeldes.
- 16. DPT 2011 in Oldenburg: Präsentation des Antimobbing-Programms „Fairplayer“ als Angebot für Sekundarschulen in Kooperation von DFK, Deutscher Bahn AG und Freier Universität Berlin.
- 18. DPT 2013 in Bielefeld: Podiumsgespräch des DFK-Sachverständigenrates „Entwicklungsförderung und Gewaltprävention für junge Menschen“ und Präsentation des gleichnamigen Leitfadens für die pädagogische Praxis.
- 19. DPT 2014 in Karlsruhe: Vortragsreihe und Diskussionsrunde mit dem Titel „Entwicklungsförderung und Gewaltprävention als Kooperationsstrategie“.
- 21. DPT 2016 in Magdeburg: Vortragsreihe „Präventive Herausforderungen bei der Integration von Flüchtlingen“.
- 25. DPT 2020 virtuell: Prävinar – Mobbingprävention als Thema der Lehrkräfteausbildung.
In den beispielhaft genannten Formaten spiegeln sich unter anderem die Prinzipien Aktualität, kriminal- und gesellschaftspolitische Relevanz, Wissenschaftlichkeit und Praxisorientierung sowie nicht zuletzt der Kooperationsgedanke wider.
3.2 Mehr Kooperation wagen im Projekt „Entwicklungsförderung und Gewaltprävention für junge Menschen“
Nachdem sich die Stiftung bereits unmittelbar nach ihrer Gründung, beginnend mit dem Projekt „Primäre Prävention von Gewalt gegen Gruppenangehörige – insbesondere: junge Menschen“ (2001-2006), intensiv mit Fragen der Gewaltprävention beschäftigt hatte, nahm sie diesen thematischen Schwerpunkt im Jahre 2010 erneut auf und verfolgt seitdem das Ziel, theoretisches Wissen und praktisches Knowhow der Fachkräfte in Kitas und Schulen sowie bei der sozialen Arbeit vor Ort zu verbessern und dabei ein breites Spektrum von gedruckten, digitalen und personalen Formaten gemeinsam mit dem DPT und anderen Partnern anzubieten sowie auf ihre Wirksamkeit und Praxistauglichkeit hin überprüfte Konzepte und Programme zu empfehlen.
Im Herbst 2012 startete das DFK-Projekt „Entwicklungsförderung & Gewaltprävention für junge Menschen“ mit der Gründung eines wissenschaftlichen Sachverständigenrates, der gemeinsam mit dem Projektteam der Geschäftsstelle den damaligen Sachstand zur entwicklungsorientierten Gewaltprävention in Deutschland analysierte sowie strategische und operative Lösungsansätze ableitete2.
Zum Gremium gehören Prof. Dr. Andreas Beelmann (Jena), Dr. Christian Böhm (Hamburg), Prof. Dr. Thomas Görgen (Münster), Frederick Groeger-Roth (Landespräventionsrat Niedersachsen, Hannover), Prof. Dr. Dr. Friedrich Lösel (Cambridge/Erlangen-Nürnberg), Prof. Dr. Siegfried Preiser (Berlin), Prof. Dr. Herbert Scheithauer (Berlin), Prof. Dr. Dr. Christiane Spiel (Wien), Prof. Dr. Ulrich Wagner (Marburg), Prof. Dr. Andreas Zick (Bielefeld) sowie als Gast Prof. Dr. Rita Haverkamp (Tübingen) – und natürlich ist auch der Geschäftsführer des DPT Erich Marks einer der vom DFK ausgewählten Expertinnen und Experten.
Diese empfahlen der Stiftung und ihren Kooperationspartnern unter anderem einen Ausbau des Wissenstransfers, wobei sich dieser nicht nur auf die explizite Empfehlung effektiver Programme konzentrieren, sondern sie in den Kontext zentraler Aspekte wie wissenschaftliche Fundierung, Zielgruppenauswahl, Setting, Timing, Intensität, Methoden, Didaktik und besondere Rahmenbedingungen stellen solle. Es gelte insbesondere, die Voraussetzungen und Unterstützungsmöglichkeiten für eine gelingende Implementierung von Präventionskonzepten bzw. -programmen in den Handlungsbereichen der pädagogischen Institutionen sowie des sozialen Hilfesystems bekannt(er) zu machen und deren Akteure durch entsprechende Fortbildungsangebote zu befähigen. Implementierungsprozesse gelte es zu überprüfen und die Implementierungsqualität durch entsprechende Standards und Rahmenbedingungen dauerhaft zu sichern.
In der Folge hat das DFK – abgestimmt mit dem DPT – eine Reihe von Produkten und Formaten entwickelt, um diesen Herausforderungen gerecht zu werden:
- Leitfaden Entwicklungsförderung und Gewaltprävention (2013, Neuauflage 2018)
- Qualitätskriterien zur Beurteilung von Projekten und Programmen der Gewaltprävention (2013)
- Internetportal „Wegweiser Prävention“ mit Programmempfehlungen (in Kooperation mit der „Grünen Liste Prävention“ des Landespräventionsrates Niedersachsen sowie dem Deutschen Präventionstag) und zahlreichen Implementierungshilfen für die praktische Arbeit insbesondere im schulischen Bereich (2014)
- jährliche Kompendien mit aktuellen Beiträgen aus Forschung und Praxis (2014 bis 2016)
- Förderung zahlreicher Modellprojekte (in jüngerer Zeit beispielsweise: Entwicklung einer universitären Lehrveranstaltung zur Mobbingprävention [2019-2020] sowie Entwicklung und Erprobung einer Multiplikatorenschulung für das Programm zur Förderung von Akzeptanz, Respekt, Toleranz & Sozialer Akzeptanz PARTS [2020-2021])
- Gründung und kontinuierliche Fortführung eines Qualitätszirkels schulische Gewaltprävention (seit 2016)
Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass sich die Transparenz zu wirksamen Präventionsansätzen deutlich verbessert hat und dass auch die Hilfestellungen zur Implementierung sichtbare Konturen bekommen haben. Dennoch: Es zeigt sich, dass die Hindernisse für eine strukturiert bzw. systematisch ausgebaute und kontinuierliche Präventionsarbeit noch lange nicht überwunden sind. DFK und DPT konnten hier erste wichtige Impulse geben, die jedoch noch nicht in einer gemeinsamen Strategie von Bund, Ländern, Kommunen und Zivilgesellschaft eingebettet sind, auch wenn es beispielsweise auf Bundesebene im aktuellen Koalitionsvertrag (der 19. Wahlperiode) heißt: „Wir treten für eine evidenzbasierte Kriminalpolitik ein“.
So hat beispielsweise das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) als Zuwendungsgeber der beim DFK im Jahre 2016 eingerichteten Arbeitsstelle Nationales Zentrum für Kriminalprävention (NZK) mittlerweile beschlossen, deren Finanzierung nicht über den 31. Dezember 2021 hinaus fortzusetzen und damit von einer Stärkung der nationalen Präventionsstrukturen (jedenfalls jenseits der Extremismusprävention, die stattdessen in einem neu einzurichtenden „Bundesinstitut Qualitätssicherung“ vorangebracht werden soll) Abstand genommen.
Auch die unter Beteiligung von DPT und DFK gestartete „Initiative Gesamtgesellschaftliche Gewaltprävention (IGG)“ (www.gewalt-praevention.info) fand auf politischer Ebene bislang wenig Gehör. Von dieser war die Bundesregierung 2019 dazu aufgerufen worden, „gemeinsam mit Ländern und Kommunen, mit freien Trägern, mit einschlägigen Institutionen und Organisationen aus dem Bereich der Gewaltprävention, mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen einer konzertierten Aktion eine Strategie für die Entwicklung gesamtgesellschaftlicher Gewaltprävention zu erarbeiten. Diese soll in ein bundesweit angelegtes Handlungskonzept münden, das – angepasst an die jeweiligen Umstände vor Ort – in den nächsten Jahren umgesetzt wird.“ Eine Vertreterin des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat den von der IGG entwickelten und von rund 250 Fachleuten unterzeichneten „Neuköllner Aufruf“ zwar entgegengenommen, ein Aufgreifen des Anliegens ist allerdings bislang nicht ersichtlich geworden.
DFK und DPT werden hiervon unbeeindruckt ihre Kooperation für mehr systematische und evidenzorientierte Präventionsarbeit in Deutschland fortsetzen, derzeit insbesondere mit Unterstützung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) im nachfolgend beschriebenen Projekt „Communities That Care / CTC“.
3.3 Bundesweite Implementierung der Rahmenstrategie „Communities That Care (CTC)“
In Kooperation mit dem Landespräventionsrat Niedersachsen und dem DPT setzt sich das DFK langfristig dafür ein, einen bundesweiten Transfer von „Communities That Care“ (CTC) sicherzustellen. CTC ist eine in den USA entwickelte, erstmals vom Landespräventionsrat Niedersachsen implementierte Rahmenstrategie, die Kommunen bei der bedarfsgerechten, wirksamen und nachhaltigen Präventionsarbeit anleitet, um auf diesem Weg positive Rahmenbedingungen für ein sicheres und gesundes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen zu schaffen. Auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse über Risiko- und Schutzfaktoren für jugendliches Problemverhalten werden Kommunen im Rahmen der CTC-Strategie befähigt, individuelle, evidenzbasierte Langzeitstrategien zu entwickeln und umzusetzen.
2018 hat das DFK zunächst die Entwicklung eines didaktischen Fortbildungskonzeptes zur weiteren Verbreitung von CTC durch den DPT finanziell gefördert. 2019 wurde das Schulungskonzept ergänzt, digitalisiert und auf einer Onlineplattform zur Verfügung gestellt.
Ziel des gemeinsamen Projektes ist es nunmehr, mittels einer zentralen CTC-Transferstelle, die Fortbildungsmaßnahmen konzipiert und durchführt, bundesweit CTC-Standorte langfristig und effektiv mit ihren jeweiligen individuellen Bedarfen zu beraten, begleiten und fortzubilden.
Die CTC-Transferstelle ist eine Kooperation von DFK und DPT, die schrittweise ausgebaut wird. Im Projektzeitraum 2021 bis 2024 sollen zahlreiche Bundesländer befähigt werden, CTC als Präventionsstrategie in eigenen Kommunen zu implementieren und zu verankern.
4. Die kriminalpolitischen Erklärungen der Veranstaltungspartner der Deutschen Präventionstage
Wie gezeigt werden konnte, arbeiten DPT und DFK nicht nur als reine Fachgremien, sondern nehmen ebenso an kriminal- und gesellschaftspolitischen Debatten teil. Seit dem 12. DPT in Wiesbaden werden vom DPT und seinen Veranstaltungspartnern, darunter dem DFK, jährlich Empfehlungen und Appelle formuliert, die sich – angeregt von der Kriminologie und angrenzenden wissenschaftlichen Disziplinen – zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Prävention in erster Linie an die Politik richten.
Bereits die Wiesbadener Erklärung 2007 beim 12. DPT („Starke Jugend – starke Zukunft“) setzt hier erste Akzente:
„[…] Der DPT appelliert an die Verantwortlichen in Medien und Politik, […]
- die erzieherische Grundhaltung der kriminalpräventiven Initiativen und Programme zu unterstützen sowie
- die vielfältigen Kooperationen zwischen den verschiedenen Handlungsfeldern im Sinne eines gesamtgesellschaftlichen Verständnisses von Kriminalprävention zu fördern.
Der DPT hält es für äußerst wichtig, dass Daten zur Jugendkriminalität bzw. Strategien der Gewaltprävention im Kindes- und Jugendalter auf wissenschaftlicher Basis und unter intensiver Einbeziehung der Erfahrungen der Fachpraxis umfassend dargestellt und diskutiert werden. […]"
In der Hannoveraner Erklärung 2009 zum 14. DPT ("Solidarität leben – Vielfalt sichern") heißt es dann:
"[…] Der Deutsche Präventionstag appelliert an die Verantwortlichen in der Politik und in den Medien sowie in zivilgesellschaftlichen Gruppierungen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene: […]
- gerade den jungen Menschen, die sich nicht nur am Rande der Gesellschaft fühlen, sondern es auch sind, Zugehörigkeit zu vermitteln, sie zu integrieren und nicht – etwa durch repressive Maßnahmen - weiter auszuschließen und auszugrenzen; […]“
Mit der Karlsruher Erklärung 2014 anlässlich des 19. DPT („Prävention braucht Praxis, Politik und Wissenschaft“) wird es sehr konkret:
„[…] Der Deutsche Präventionstag fordert nachdrücklich die schon lange überfällige Kurskorrektur der Kriminalpolitik hin zu Kriminalprävention und weg von einer sich lediglich repressiver Mittel bedienenden Kriminalpolitik und hält […] die Schaffung eines organisatorisch, personell wie finanziell zumindest ausreichend ausgestatteten Nationalen Zentrums für Kriminalprävention (NZK) für dringend erforderlich, ggf. durch den Ausbau der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention (DFK) zu einem solchen Zentrum sowie unter Einbeziehung der Expertise maßgeblicher Institutionen und Forschungseinrichtungen. […]“
In der Magdeburger Erklärung 2016 beim 21. DPT („Prävention und Freiheit. Zur Notwendigkeit eines Ethik-Diskurses“) wird die Bedeutung der mittelbaren Prävention erläutert:
„[…] Indirekte präventive Strategien, Programme und Maßnahmen etwa der Jugend-, Familien-, Gesundheits-, Sozial-, Bildungs- oder Arbeitsmarktpolitik, haben zwar nicht das Ziel und die Motivation, kriminalpräventiv zu wirken, sind aber für die Kriminalprävention unverzichtbar. Denn eine sozialstaatliche Absicherung der verschiedenen sozialen Risiken kann dabei helfen, Kriminalität und Kriminalitätsfurcht entgegen zu wirken. Kriminalpräventive Arbeit kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie in eine sozial gerechte Gesellschaftspolitik - Lebenslagenpolitik – eingebettet ist. […]“
Und der virtuelle 25. Jubiläums-DPT („Smart Prevention – Prävention in der digitalen Welt“) stellt in der Kasseler Erklärung 2020 nochmals klar:
„[…] Die politische Auseinandersetzung ist populistischer, kompromissloser und aggressiver geworden, extremistisches Gedankengut findet ungefiltert Verbreitung. Einseitiges Setzen auf Überwachungstechnologien entzieht sozialen Präventionsmaßnahmen auch die finanzielle Basis. Smarte Technologien in der Präventionsarbeit unterliegen den Gefahren von Vereinfachung, falschen Verdächtigungen sowie Diskriminierungen. Unkontrollierte Datenakkumulation gefährdet Persönlichkeitsrechte und Datenschutz. […] „Smart Prevention“ als Vision bedeutet strategisches Handeln, ausgehend von den Ursachen und Entstehungsbedingungen von Gewalt und Kriminalität und geleitet von einem Wissen über die Wirkungen und Nebenwirkungen von Präventionsansätzen. Sie zielt auf die gesellschaftliche Wohlfahrt und stellt sich der gewalt- und kriminalitätsfördernden Entwicklung sozialer Ungleichheit sowie Totalitarismen entgegen […]“
Die Zusammenschau zentraler Passagen der 2007 begonnenen kriminal- und gesellschaftspolitischen Erklärungen zeigt die Herausbildung und Verstetigung eines in die freiheitliche und soziale Gesellschaftsordnung eingebetteten Handlungsfeldes „Prävention“, das sich im neuen Jahrzehnt kontinuierlich weiterentwickeln sowie neue Allianzen und Formate hervorbringen wird. DPT und DFK werden diesen Prozess nach Kräften gemeinsam unterstützen und gestalten.
In diesem Sinne wünschen der Vorstand und die Geschäftsstelle der Stiftung dem Deutschen Präventionstag und seinen Verantwortlichen auch weiterhin reichlich Schaffenskraft, den erforderlichen langen Atem und nicht zuletzt die nötige Fortune.
1 Zu den näheren Hintergründen der Stiftungsgründung vgl. Daniel in: Walsh, Pniewski, Kober, Armborst (Hrsg.): Evidenzbasierte Kriminalprävention in Deutschland; Wiesbaden: Verlag Springer VS.
2 Die Meilensteine im Projekt Entwicklungsförderung & Gewaltprävention werden von Kahl in: Walsh, Pniewski, Kober, Armborst (Hrsg.): Evidenzbasierte Kriminalprävention in Deutschland; Wiesbaden: Verlag Springer VS, näher beschrieben.