Wie soziales Verhalten und politische Orientierung zusammenhängen
Eine umfangreiche Studie am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht in Freiburg fand heraus: Es gibt einen Zusammenhang zwischen politischer Orientierung und Prosozialität. Dieser Zusammenhang ist aber schwächer als gedacht.
Einer weit verbreiteten Annahme zufolge sind Menschen mit einer linken politischen Orientierung prosozialer und uneigennütziger als Anhängerinnen und Anhänger rechts-konservativer Parteien. Der Grund für diese Annahme ist wohl der, dass sich linke Parteien eher für soziale Wohlfahrts- und Gerechtigkeitsthemen wie etwa die finanzielle Unterstützung für Arbeitslose oder einen Mindestlohn einsetzen. Im Umkehrschluss geht man davon aus, dass Menschen, die linken Parteien nahestehen, selbst auch prosozialer eingestellt sind. Doch ist das wirklich so?
In der Psychologie spricht man von prosozialem Verhalten, wenn Menschen anderen Menschen helfen oder sie unterstützen, ohne dass sie einen direkten Nutzen daraus ziehen. Auch das Konzept der sozialen Wohlfahrt, das bei linken Parteien im Mittelpunkt steht, ist prosozial: Die Gesellschaft stellt Mittel zur Verfügung, damit alle Menschen ihr Leben gestalten können, auch wenn sie beispielsweise arbeitslos sind.
Doch sind die Wählerinnen und Wähler linker Parteien selbst auch prosozialer eingestellt als die der Parteien rechts der Mitte? Um dies herauszufinden, hat ein deutsches Forscherteam Daten einer groß angelegten Studie in Deutschland genutzt. Gut 1800 Personen unterschiedlichen Alters, Geschlechts und Bildungshintergrunds sowie Persönlichkeit befragt. Für die politische Orientierung wurden ihre Sympathie für die sechs Parteien abgefragt, zusätzlich sollten sie sich auf einem Rechts-Links- Kontinuum einsortieren. Für die Studie nahmen sie an verschiedenen sogenannten ökonomischen Spielen teil, die dafür entwickelt wurden, prosoziales Verhalten in experimentellen Studien untersuchen zu können. Es handelt sich dabei um eine der umfangreichsten Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen politischer Orientierung und Prosozialität.
Die Ergebnisse der Untersuchung sind – wie so oft in der Welt der Wissenschaft – komplexer als erwartet. Grundsätzlich wurde der Zusammenhang zwischen politischer Orientierung und Prosozialität bestätigt. „Die Unterstützung linker Ideologien und Parteien geht tendenziell mit einer stärkeren Prosozialität einher“, erklärt Max-Planck-Forscherin Isabel Thielmann.
Diese Tendenz zeige sich aber nicht bei allen Maßen für Prosozialität, die in der Studie verwendet wurden. Ein Bereich, in dem der Zusammenhang nicht durchgehend gezeigt werden konnte, waren ökonomische Verhaltensspiele, wie etwa im sogenannten Diktatorspiel („dictator game“), bei dem nur einer der beiden Spieler (der „Diktator“) entscheiden kann, wie ein bestimmter Geldbetrag zwischen den beiden Spielern aufgeteilt wird. Dasselbe gilt für das sogenannte Public Goods Game, bei dem die Teilnehmenden ohne das Wissen der anderen Mitspielenden entscheiden, wie viele ihrer privaten Spielmarken sie in einen öffentlichen Topf geben, um dort vervielfacht zu werden. Bei diesen wissenschaftlichen Spielen war keine klare Tendenz von höherer Prosozialität bei linker Einstellung erkennbar. Dahingegen fanden sich konsistente Zusammenhänge zwischen verschiedenen Selbsteinschätzungen, die Prosozialität abbilden, und einer linken politischen Einstellung.
„Unsere Untersuchung deutet darauf hin, dass Anhängerinnen und Anhänger linker Ideologien tatsächlich prosozialer sein könnten als die der rechts-konservativer Ideologien“, fasst Thielmann die Studie zusammen. „Allerdings konnten wir diesen Zusammenhang nicht für alle Maße von Prosozialität hinweg finden.“ Außerdem gebe es noch weiteren Untersuchungsbedarf dahingehend, inwiefern Anhängerinnen und Anhänger rechter Ideologien prosozialer gegenüber Mitgliedern ihrer eigenen Gruppe sind, wohingegen Anhängerinnen und Anhänger linker Ideologien potentiell prosozialer gegenüber anderen Personen im Allgemeinen sind.
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