20.06.2023

Europäischer Drogenbericht 2023: Breites Angebot und steigender Konsum sind Herausforderung für Gesundheitssystem

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Die Verfügbarkeit von Drogen in Europa ist nach wie vor hoch, und der Umfang und die Komplexität der illegalen Drogenproduktion in Europa nehmen weiter zu. Menschen, die Drogen konsumieren, sind heute einer breiteren Palette psychoaktiver Substanzen ausgesetzt, die oft eine hohe Potenz und Reinheit aufweisen. Zu diesen Ergebnissen kommt der jährliche Europäische Drogenbericht der EU-Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA) in Lissabon. Die größere Vielfalt bei Drogenangebot und -konsum stellt die Drogenpolitik und das Gesundheitswesen in Europa vor neue Herausforderungen.

Risiken wirksam kommunizieren
Da Drogen mit psychoaktiven Substanzen in Form von ähnlich aussehenden Pulvern oder Pillen verkauft werden können, wissen die Konsumierenden möglicherweise nicht, was sie einnehmen. Der Bericht unterstreicht die Notwendigkeit wirksamer Risikokommunikations-Strategien, um die Konsumierenden auf die gesundheitlichen Schäden im Zusammenhang mit neuen Substanzen, Drogenwechselwirkungen und hochpotenten Produkten hinzuweisen. Die Analyse deckt ein breites Spektrum an illegalen Drogen ab, von Opioiden und Stimulanzien bis hin zu neuen Cannabisprodukten und dissoziativen Drogen (z. B. Ketamin). Darüber hinaus bietet sie einen aktuellen Überblick über neue psychoaktive Substanzen (NPS), die weiterhin eine Herausforderung für die öffentliche Gesundheit in Europa darstellen. Allein im Jahr 2022 wurden dem Frühwarnsystem der EU (EWS) 41 neue Substanzen gemeldet, sodass die EMCDDAnun insgesamt 930 neue Drogen beobachtet.

Neue Entwicklungen in der Cannabispolitik auf einem komplexen Markt
Das Umfeld der Cannabispolitik in Europa wird allmählich ausgeweitet und umfasst nun nicht nur die Kontrolle von illegalem Cannabis, sondern auch die Regulierung von Cannabis und Cannabinoiden für therapeutische und andere Zwecke (z. B. Kosmetik, Lebensmittel). Bislang haben fünf EU-Mitgliedstaaten (Deutschland, Luxemburg, Malta, die Niederlande und die Tschechische Republik) sowie die Schweiz neue Konzepte zur Regulierung des Angebots von Cannabis für den Freizeitkonsum eingeführt bzw. planen dies. Die in dem Bericht dargelegten Änderungen machen deutlich, dass in die Überwachung und Bewertung investiert werden muss, um Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit und Sicherheit vollständig zu verstehen.

Hohe Verfügbarkeit von Cannabis
Cannabis ist nach wie vor die am häufigsten verbreitete illegale Droge in Europa. Schätzungen zufolge haben etwa 8 Prozent (22,6 Millionen) der europäischen Erwachsenen (15–64 Jahre) im letzten Jahr Cannabis konsumiert. Im Jahr 2021 erreichten die in der EU beschlagnahmten Mengen an Cannabisharz (816 Tonnen) und Cannabiskraut (256 Tonnen) den höchsten Stand seit einem Jahrzehnt, was auf eine hohe Verfügbarkeit dieser Droge schließen lässt. In Europa begaben sich im Jahr 2021 schätzungsweise 97 000 Patientinnen und Patienten wegen Problemen im Zusammenhang mit dem Cannabiskonsum in eine Form der Drogenbehandlung. Im Jahr 2022 wurde mit Hexahydrocannabinol (HHC) das erste halbsynthetische Cannabinoid in der EU gemeldet. Es wurde in zwei Dritteln der Mitgliedstaaten festgestellt und wird in einigen EU-Ländern als „legale“ Alternative zu Cannabis verkauft. Seit Oktober 2022 wird HHC im Rahmen des EU-Frühwarnsystems (EWS) intensiv überwacht, um die potenziellen Risiken für Europa besser zu verstehen.

Rekordmenge an Kokain beschlagnahmt: 303 Tonnen
Der Handel mit großen Mengen Kokain in handelsüblichen Containern über europäische Seehäfen ist der Grund für die hohe Verfügbarkeit dieser Droge. Es wird befürchtet, dass diese Situation zu erhöhtem Kokainkonsum, Gesundheitsschäden und Drogenkriminalität beitragen könnte. Im Jahr 2021 wurde in den EU-Mitgliedstaaten die Rekordmenge von 303 Tonnen Kokain beschlagnahmt. Der größte Teil (75 Prozent) entfielen dabei auf drei Länder: Belgien (96 Tonnen), die Niederlande (72 Tonnen) und Spanien (49 Tonnen). Vorläufige Daten für 2022 zeigen, dass die Menge des in Antwerpen, dem zweitgrößten Seehafen Europas, beschlagnahmten Kokains von 91 Tonnen im Jahr 2021 auf 110 Tonnen gestiegen ist. Es gibt Hinweise darauf, dass die organisierte Kriminalität zunehmend auch kleinere Häfen in anderen EU-Ländern sowie in den an die EU angrenzenden Ländern ins Visier nimmt. Kokain ist in Europa die am häufigsten konsumierte illegale Stimulanzdroge, die im letzten Jahr von etwa 1,3 Prozent (3,7 Millionen) der europäischen Erwachsenen (15–64 Jahre) konsumiert wurde. Es war im Jahr 2021 die häufigste Substanz im Zusammenhang mit akuten Vergiftungen in den Notaufnahmen der Krankenhäuser und wurde in 27 Prozent der Fälle genannt.

Synthetische Stimulanzien
Die größere Vielfalt an synthetischen Stimulanzien, die jetzt auf dem illegalen Markt erhältlich sind, erhöht die Risiken für die öffentliche Gesundheit. In der Vergangenheit war Amphetamin das am häufigsten verwendete synthetische Stimulans in Europa. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass sowohl Methamphetamin als auch synthetische Cathinone heute stärker als in der Vergangenheit zu den Gesamtproblemen Europas im Zusammenhang mit Stimulanzien beitragen.

Potenzielle Gesundheitsrisiken durch weniger bekannte Stoffe
Ketamin, das in der Medizin als Narkosemittel und Schmerzmittel verwendet wird, hat sich in einigen Bereichen als Freizeitdroge etabliert. Es wird häufig geschnupft und manchmal auch anderen Drogenmischungen, einschließlich MDMA-Pulvern und -Tabletten, beigemischt. Bei Langzeitkonsumenten von Ketamin können gesundheitliche Probleme auftreten (z. B. Blasenschäden). Der zunehmende Freizeitkonsum von Distickstoffoxid (Lachgas) in einigen Teilen Europas gibt Anlass zu gesundheitlichen Bedenken. Die Risiken können Vergiftungen, Verbrennungen und Lungenverletzungen sowie in einigen Fällen bei längerem Gebrauch auch Nervenschäden umfassen. Es spricht viel dafür, dass sich die Angebote für Drogenprävention und Schadensbegrenzung in ihrer Arbeit mit dieser Substanz befassen. Die Vorschriften für den Verkauf und die Verwendung dieser Substanz sind von Land zu Land unterschiedlich.

Europas Opioid-Probleme entwickeln sich weiter
Heroin ist nach wie vor das am häufigsten konsumierte illegale Opioid in Europa, aber in einigen Regionen wächst auch die Besorgnis über den Konsum synthetischer Opioide. Viele synthetische Opioide sind hochwirksam und bergen die Gefahr von Vergiftungen und Tod. Es werden nur geringe Mengen benötigt, um Tausende von Dosen herzustellen, was sie zu einer potenziell lukrativeren Substanz für organisierte kriminelle Banden macht. Auf dem europäischen Drogenmarkt tauchen immer wieder neue unkontrollierte synthetische Opioide auf; seit 2009 wurden insgesamt 74 davon identifiziert. In den letzten Jahren handelte es sich bei den meisten der neu identifizierten Opioide, die dem EWS gemeldet wurden, um hochwirksame Benzimidazol- (Nitazen-)Opioide. Im Vergleich zu Nordamerika spielen neue synthetische Opioide (z. B. Fentanyl-Derivate und Nitazene) derzeit auf dem europäischen Drogenmarkt insgesamt eine relativ geringe Rolle, obwohl sie in einigen Ländern ein großes Problem darstellen. Die Verfügbarkeit von Heroin scheint derzeit weiterhin hoch zu sein. Die von den EU-Mitgliedstaaten beschlagnahmte Menge an Heroin hat sich im Jahr 2021 mit 9,5 Tonnen mehr als verdoppelt, während in der Türkei eine Rekordmenge von 22,2 Tonnen beschlagnahmt wurde. Fast das gesamte in Europa konsumierte Heroin stammt aus Afghanistan, wo die Taliban im April 2022 ein Verbot des Anbaus von Schlafmohn verkündet haben.

Daten aus 29 Ländern zu Lage und Trends
Auf der Grundlage von Daten aus 29 Ländern (EU-27, Türkei und Norwegen) bietet der Bericht der EU-Drogenbeobachtungsstelle den neuesten Überblick über die Drogensituation in Europa und untersucht langfristige Trends und aufkommende Bedrohungen. Die umfassende Analyse umfasst den Drogenkonsum und das Drogenangebot sowie drogenbedingte Schädigungen und Maßnahmen.

Im Juli 2024 wird die EBDD die neue Drogenbehörde der Europäischen Union mit einem verstärkten Mandat, das es ihr ermöglicht, eine stärkere Rolle bei der Bewältigung aktueller und künftiger Herausforderungen bei Drogenproblem zu spielen.

Ein Service des deutschen Präventionstages.
www.praeventionstag.de

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