Leitgedanken zur Sicherheit von Mitarbeiter*innen und politischen Mandatsträger*innen in Kommunalverwaltungen
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In 2022 hat das Deutsch-Europäische Forum für urbane Sicherheit (DEFUS) die folgenden Leitgedanken zur Sicherheit von Mitarbeiter*innen und politischen Mandatsträger*innen in Kommunalverwaltungen veröffentlicht:
„Das öffentliche Leben in Deutschland steht auf dem festen Fundament der kommunalen Verwaltung. Die Hintergrundprozesse, die unseren Alltag überhaupt erst ermöglichen, wären ohne die engagierte Arbeit der Mitarbeiter*innen der untersten Verwaltungsebene des Staates, in den Kommunen, undenkbar. In jüngerer Zeit wurden gerade diese Verantwortungsträger*innen und Verwaltungsangehörigen zunehmend Ziel von Verleumdungen, Beleidigungen oder sogar von Bedrohungen und körperlichen Übergriffen, die das Maß legitimer demokratischer Kritik an politischen Entscheidungen und Positionen oder etwaigen Verwaltungsfehlern bei weitem übersteigen.
Besonders besorgniserregend ist dabei, dass neben politischen Amts- und Mandatsträger*innen im Haupt- und sogar Ehrenamt, mittlerweile selbst Mitarbeiter*innen im kommunalen Außendienst oder von Verwaltungsvorgängen mit Kundenkontakt deutlich häufiger Grenzüberschreitungen, Aggressionen und Gewalt ausgesetzt sind.
Diese Attacken gegen Verwaltungsmitarbeiter*innen und Mandatsträger*innen können nicht allein mit Unmut über COVID-19-Maßnahmen begründet werden, da sie einen seit Jahren negativen Trend in der kommunalen Sicherheit von Mitarbeiter*innen fortsetzen, der sich zu einem bundesweiten Problem verbaler und körperlicher Übergriffe entwickelt hat. Die Pandemie ist vielmehr ein Katalysator, der die ohnehin abnehmende Akzeptanz staatlicher und kommunaler Akteur*innen und Maßnahmen weiter untergräbt.
Die Auswirkungen sind ebenso drastisch wie negativ: Große Teile der Betroffenen reagieren (oder erwägen), sich aus der Öffentlichkeit und den sozialen Medien zurückzuziehen, sich nicht mehr zu bestimmten kontroversen Themen zu äußern oder sogar ihre Ämter niederzulegen. Mitarbeiter*innen der Verwaltung leiden nach Attacken und Angriffen nicht selten unter traumatischen Belastungserscheinungen, die bis hin zur dauerhaften Arbeitsunfähigkeit führen können. Sollte sich die Sicherheit der Mandatsträger*innen und Mitarbeiter*innen nicht verbessern, droht langfristig die Gefahr, dass sich weniger Personen für solche Ämter und Berufe bewerben, insbesondere dann, wenn sie ein nachweislich häufiger von Anfeindungen betroffenes Profil (Frauen, Migrationsgeschichte, sexuelle Orientierung, etc.) aufweisen.
Die Mitgliedsstädte des Deutsch-Europäischen Forums für Urbane Sicherheit (DEFUS e.V.) haben sich mit Blick auf diese Herausforderung auf einige Leitüberlegungen verständigt, die Grundlage unserer weiteren Anstrengungen zur Sicherung und zum Schutz der Mitarbeiter*innen und der Mandatsträger*innen der Verwaltungen in unseren Städten sein werden:
• Jeder An- und Übergriff auf Akteur*innen der Verwaltung und Politik muss als Angriff auf unsere demokratischen Strukturen gewertet und bestraft werden. Unter keinen Umständen dürfen die Täter*innen für ihre Attacken durch Schweigen und Straffreiheit in ihrem Handeln bestärkt werden.
• Eine parteiübergreifende, unmittelbare und solidarische Reaktion und Verurteilung der Angriffe aus den Reihen der Kommunalpolitik ist nicht nur ein starkes Zeichen für die Betroffenen, sondern auch für die Demokratie in Deutschland, die Bedrohung und Gewalt nicht duldet.
• Kommunen sollten Krisenpläne erstellen, in denen der Umgang mit und die Reaktion auf Angriffe gegen Verwaltungsmitarbeiter*innen und Mandatsträger*innen verbindlich geregelt sind. Diese Krisenpläne sollten neben der strafrechtlichen Verfolgung des Vorfalls besonders den Schutz und die sofortige psychosoziale Betreuung der Betroffenen vorsehen.
• Kommunalverwaltungen müssen ihre Mitarbeiter*innen vor Bedrohung und Übergriffen aktiv schützen. Dies kann durch organisatorische Maßnahmen, technische Sicherheitssysteme und bauliche Maßnahmen geschehen. Die größte Herausforderung ist dabei, die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen mit dem Ideal einer räumlich wie menschlich zugänglichen und bürgernahen Verwaltung in Einklang zu bringen.
• Zusätzlich ist eine zentrale Meldestelle (z.B. eine digitale Meldestelle oder eine Datenbank) in jeder Kommune wünschenswert, in der Übergriffe gegen Verwaltungsmitarbeiter*innen ab einer bestimmten Schwere des Angriffs bzw. der Bedrohung und im Einklang mit dem Datenschutz registriert und abgerufen werden können. Solch eine kommunale Informationsstelle würde den Schutz von kommunalen Verwaltungsmitarbeiter*innen in gefährdeten Bereichen wie beispielsweise dem Jobcenter oder dem kommunalen Außendienst deutlich erhöhen.
• Führungskräfte in der kommunalen Verwaltung sollten sich durch regelmäßige Schulungen mit dem Schutz und der Sicherheit der eigenen Mitarbeiter*innen auseinandersetzen und gezielt auf den Umgang mit den Folgen solcher Angriffe vorbereitet werden. Diese Sorgfalts- und Fürsorgepflicht sollte dabei nicht nur die Folgen tätlicher Übergriffe und physischer Gewalt berücksichtigen, sondern auch die psychische Belastung, die aus Drohungen und verbalen Angriffen entsteht.
• Auch Mitarbeiter*innen sollten Schulungsangebote zum Umgang mit und zur Reaktion auf mögliche Bedrohungen und Übergriffe am Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden.
• Zugleich sollten Betroffene Hasskriminalität nicht verschweigen, sondern offen thematisieren und gezielte Unterstützungsangebote erhalten. Damit einhergehen sollten zentrale Anlaufstellen auf Landes- und Bundesebene sowie niederschwellige Angebote in den Kommunen und eine verschärfte strafrechtliche Verfolgung der Täter*innen. Formate wie das Onlineportal „Stark im Amt“ (www.stark-im-amt.de) betroffene Kommunalvertreter*innen und Forschungsprojekte, die Ausmaß und Wirkung von Bedrohungen und Gewalt im Amt erforschen, sind ein wichtiger erster Schritt.
• Die DEFUS-Mitglieder setzen sich für die Förderung und Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts ein. Dazu gehört auch, dass Kommunen sich u.a. für Maßnahmen zur Anerkennung und Wertschätzung des lokalpolitischen Engagements, für Norm- und Wertevermittlung für einen respektvollen Umgang und die Förderung demokratischer Einstellungen sowie die Schaffung oder Stärkung lokaler Netzwerkstrukturen gegen Gewalt und für Toleranz präventiv gegen Hass, Bedrohungen und Gewalt einsetzen. Diese Leitgedanken sind das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung der DEFUSMitglieder mit dem Thema Schutz und Sicherheit von kommunalen Mandatsträger*innen und Mitarbeiter*innen vor Bedrohung und Gewalt. Im Rahmen von Mitgliederversammlungen und internen Workshops zwischen 2019 und 2021 tauschten sich die Mitglieder mehrfach zu Strategien und Ansätzen für einen besseren Schutz der Mitarbeiter*innen und Mandatsträger*innen aus. Auslöser war unter anderem die traurige Ermordung eines Mitarbeiters der Stadt Köln im Dienst.
Liste der unterzeichnenden Mitglieder:
• Stadt Augsburg
• Land Berlin
• Stadt Düsseldorf
• Stadt Essen
• Stadt Freiburg
• Stadt Gelsenkirchen
• Stadt Gladbeck
• Stadt Göttingen
• Stadt Heidelberg
• Stadt Karlsruhe
• Stadt Köln
• Stadt Mannheim
• Stadt München
• Stadt Nürnberg
• Stadt Stuttgart
• Deutscher Präventionstag
• Landespräventionsrat Niedersachsen
• Deutsches Institut für Urbanistik“
www.praeventionstag.de