07.12.2023

Empfehlungen des Bürger*innenrates zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt

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Sexuelle Gewalt findet vor allem im persönlichen Umfeld, insbesondere in der Familie statt. Allein in Hessen waren laut Polizeilicher Kriminalstatistik 2022 mehr als 1.000 Kinder von sexuellem Missbrauch betroffen. Das Dunkelfeld ist um ein Vielfaches größer, in jeder Schulklasse sind es schätzungsweise 1-2 Kinder. Um sie zu schützen, sind wir alle gefragt. Doch wie funktioniert dieses „Schützen“ konkret? Welche Hindernisse müssen wir abbauen?

Auf Initiative der Beratungsstelle Wildwasser Gießen e. V. und der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) hat sich am 4. November in Gießen der bundesweit erste Bürger*innenrat zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt getroffen. Die Ergebnisse wurden heute in der Beratungsstelle Wildwasser dem Gießener Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher und der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung Kerstin Claus von drei Teilnehmenden des Bürger*innenrats, Bayram Gülcan, Gisela Lich und Bärbel Valentin, überreicht.

Julia Birnthaler, Leitungsteam Wildwasser Gießen e. V.: „Für uns sind die Ergebnisse eine Bestätigung unserer wichtigen Arbeit auf kommunaler Ebene. Sie sind aber auch Ermutigung und Aufforderung – macht mehr davon! Der Bürger*innenrat machte deutlich: Es braucht mehr Information, mehr Qualifikation und vor allem mehr Möglichkeiten, um miteinander über dieses Thema ins Gespräch zu kommen. Wir nehmen viele neue Ideen und Anregungen mit und freuen uns, dass der offene und lebendige Austausch von den Teilnehmenden als so gut und hilfreich wahrgenommen wurde. Wir von Wildwasser sind sehr ermutigt und motiviert für die weitere Umsetzung und fordern die politische Ebene auf, diese gesellschaftspolitische Aufgabe gemeinsam zu lösen.“

Der Gießener Bürger*innenrat ist bundesweit der erste zum Thema sexuelle Gewalt und besteht aus 16 Bürgerinnen und Bürgern, die privat, ehrenamtlich oder beruflich mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben. Ziel des gemeinsamen Austauschs war es, Ergebnisse zu erarbeiten, wie Unsicherheiten im Umgang mit dem Thema abgebaut werden können und welche Strukturen und Unterstützungsmöglichkeiten es braucht, damit Bürger*innen ihre Verantwortung nicht wegschieben, sondern handeln, wenn sie einen Verdacht oder ein komisches Bauchgefühl haben.

Frank-Tilo Becher, Oberbürgermeister der Stadt Gießen: „Ich finde es sehr beeindruckend, welche Erkenntnisse dieses innovative Gesprächs- und Austauschformat zum Ergebnis hat, von den Ansätzen, wie Kinder und Jugendliche durch das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern besser geschützt werden können, über Empfehlungen bis hin zu neuen Strukturen und Angeboten. Ich danke vor allem den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die sich mit ihrer Erfahrung und ihrer Sichtweise eingebracht haben und damit dazu beitragen, Übergriffen auf Kinder und Jugendlichen entgegen zu treten.“

Kerstin Claus, Unabhängige Beauftragte: „Ich bin den Bürgerinnen und Bürgern in Gießen sehr dankbar, dass sie diese Diskussion geführt und uns heute Ihre Ideen und Empfehlungen überreicht haben. Ich nehme die Ergebnisse aus Gießen auch für meine Arbeit und Gespräche auf bundespolitischer Ebene mit. Die Ergebnisse machen deutlich, wie wichtig es ist, Räume zu haben, in denen das Thema offen angesprochen und Hilfeangebote vermittelt werden. Im Rahmen der Aktivierungs- und Sensibilisierungskampagne „Schieb deine Verantwortung nicht weg!“, die ich 2022 gemeinsam mit der Bundesfamilienministerin Lisa Paus gestartet habe, möchten wir genau solche lokalen Netzwerke und Bündnisse vor Ort unterstützen. Der Bürger*innenrat in Gießen ist für dieses kommunale Engagement ein wichtiges Beispiel, dem hoffentlich viele andere folgen.“

Die klare Botschaft des Bürger*innenrats: Mit der richtigen Unterstützung und Angeboten in allen Bereichen können Bürger*innen aktiv werden und Kinder und Jugendliche vor sexueller Gewalt schützen.

Der Bürger*innenrat in Gießen hat vor allem eines gezeigt: Es gibt bei den Bürger*innen ein großes Bedürfnis, über das Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zu sprechen. In den Diskussionen ging es vielfach um die Furcht vor sozialen Konsequenzen und die Unsicherheit darüber, wie angemessen mit einem Verdacht umgegangen werden kann. Viele bleiben deshalb untätig. Nicht zuletzt fühlen sich viele Bürger*innen nur unzureichend informiert. Zu wenig Kenntnisse zum Thema und zu wenig Zugang zu Hilfeangeboten – das sind Aspekte, die den ersten Kontakt zu einer Fachberatungsstelle oder zur Polizei erschweren oder gar verhindern. Von politischen Verantwortungsträger*innen wünscht sich der Bürger*innenrat, dass Veranstaltungen wie diese, die die Möglichkeit zum Austausch zwischen Bürger*innen und Kinderschutzexpert*innen ermöglichen, gezielt ausgebaut und gefördert werden.

Ein Service des deutschen Präventionstages.
www.praeventionstag.de

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