Schattenbericht – Armut in Deutschland
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Nur wer die Lebenssituation von Menschen in Einkommensarmut kennt, kann sie verbessern. Das ist eine zentrale Erkenntnis des aktuell von der Diakonie Deutschland und der Nationalen Armutskonferenz (nak) vorgelegten „Schattenbericht – Armut in Deutschland“. Der Bericht gibt tiefen Einblick in die Lebenslagen von Menschen mit Armutserfahrungen. Wegen der vorgezogenen Neuwahlen hat die Bundesregierung keinen eigenen Armuts- und Reichtumsbericht mehr veröffentlicht. Diakonie und nak wollen mit dem Schattenbericht diese Lücke füllen und gleichzeitig dem oft populistischen Diskurs in der Bürgergeld-Debatte Fakten entgegensetzen.
Rüdiger Schuch: „Die Debatte über Armut und den Bezug von existenzsichernden Mindestleistungen ist in den letzten Monaten von Unsachlichkeit geprägt. Dieser Bericht soll der aufgeheizten Stimmung eine klare und nüchterne Darstellung entgegensetzen: Wir müssen bei den strukturellen Ursachen von Armut ansetzen. Menschen müssen die Chance bekommen, ihre Potentiale zu entwickeln und ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern. Viel zu oft werden oder bleiben Menschen arm, weil unsere Gesellschaft nicht alle Möglichkeiten ausschöpft, um Armut zu überwinden. Menschen, die in Armut leben, fehlt es an Ermutigung und Möglichkeiten, selbstbestimmt ihren eigenen Weg zu gehen. Sie sind weder ausreichend in demokratischen Prozessen vertreten, noch haben sie Perspektiven auf existenzsichernde Erwerbsarbeit, guten Wohnraum und tragfähige wirtschaftliche Netzwerke. Das öffentlich vermittelte Bild der vermeintlich großen Zahl an „faulen Arbeitslosen“ wird der Realität in Deutschland nicht gerecht. Denn Millionen von Armut betroffene Menschen wünschen sich nichts sehnlicher, als durch ihren Beitrag, ihr Engagement und ihre Arbeit ein anerkannter Teil der Gesellschaft zu sein.“
Marcel Fratzscher, Präsident Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), äußert sich in einem Interview im Schattenbericht: „Ein starker Sozialstaat ist wichtig. Doch zu viele Sozialsysteme greifen erst dann, wenn bereits ein Schaden entstanden ist: wenn Menschen krank oder arbeitslos werden, wenn sie soziale Probleme haben. Das liegt am passiven Sozialstaat, der erst agiert oder reagiert, wenn es schon zu spät ist. Wir brauchen jedoch einen proaktiven Sozialstaat. Dieser versucht, Schäden zu verhindern, indem er etwa Probleme bei der Qualifizierung erkennt und Menschen so fit macht, dass sie in Arbeit bleiben können und erfüllende Aufgaben finden. Gleiches gilt für die Gesundheit: Wir brauchen mehr Vorsorge und mehr Überlegungen, was tut Menschen gut und was sie brauchen.“
Gisela Breuhaus, Vertreterin der Nationalen Armutskonferenz: „Als Alleinerziehende und pflegende Angehörige mit chronischen Erkrankungen habe ich ein deutlich erhöhtes Armutsrisiko, dabei habe ich mein ganzes Leben lang gearbeitet, gepflegt, erzogen und mich für die Demokratie engagiert. Armut bedeutet fehlende Chancen, sich zu beteiligen. Das ist kein individuelles Versagen. Es ist ein gesellschaftliches Versagen.“
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