Folgen der Pandemie für die Abiturjahrgänge 2020 und 2021
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Erstmalig belegt eine empirische Studie die nachhaltigen, negativen Effekte der Covid-19-Pandemie auf die Bildungsentscheidungen und Karrierepläne junger Menschen. Durchgeführt wurde die Studie von Forschenden aus den Bereichen Ökonomie und Soziologie der Universität Bamberg und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). „Die Lebenszufriedenheit von jungen Erwachsenen während der Pandemie ist auf einer Skala von 0 bis 10 um 0,5 gesunken, während die durchschnittliche Lebenszufriedenheit in Deutschland insgesamt wesentlich weniger stark zurückgegangen ist“, sagt der Projektmitarbeiter Dr. Alexander Patzina vom Lehrstuhl für Soziologie, insbesondere Soziale Ungleichheit, der Universität Bamberg. „Dieser Einbruch ist untypisch für junge Menschen. Er entspricht zum Beispiel dem drastischen Rückgang der Lebenszufriedenheit in Kriegsgebieten.“ Ergebnisse dazu hat das Forschungsteam am 23. September 2022 in der Fachzeitschrift „Review of Economics of the Household“ veröffentlicht.
Die Erkenntnisse der aktuellen Veröffentlichung beruhen auf dem Datensatz der IAB-Studie „Berufliche Orientierung: Berufswahl und Studienwahl“ (BerO). Sie wird finanziert von der Bundesagentur für Arbeit. Der Datensatz enthält Informationen von rund 8.000 Abiturient*innen der Jahrgänge 2020 und 2021 im Zeitraum von Herbst 2019 bis Herbst 2021. Sie besuchten 217 Schulen in acht verschiedenen Bundesländern, unter anderem Bayern und Nordrhein-Westfalen. Mit diesen Daten haben die Forschenden untersucht, welchen Einfluss die Covid-19-Pandemie auf die Bildungswege sowie die Entwicklung des Wohlbefindens der sogenannten Corona-Abiturjahrgänge hat.
Negative Effekte einer Schulzeit unter Covid-Bedingungen
Welche kurz- und langfristigen Folgen hat die Pandemie? „Nach den ersten Schulschließungen im März 2020 zeigte die mentale Gesundheit der jungen Menschen der Abiturjahrgänge 2020 und 2021 kurzfristig keinen negativen Verlauf“, erläutert die Projektleiterin Prof. Dr. Silke Anger, die den Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Bildungsökonomik, an der Universität Bamberg innehat. „Allerdings ging ihre Lebenszufriedenheit und psychische Gesundheit zwischen dem ersten und zweiten Lockdown im Winter 2020/21 stark zurück.“ Zwischen den untersuchten Abiturjahrgängen 2020 und 2021 zeigen sich Unterschiede: Im genannten Zeitraum stiegen vor allem die Angst- und Depressionsrisiken im Abiturjahrgang 2021 stark an und die Lebenszufriedenheit ging etwas stärker zurück. Erst nach dem Verlassen der Schule verbesserte sich ihr Wohlbefinden wieder und die Unterschiede zwischen beiden untersuchten Abiturjahrgängen verschwanden.
Einen möglichen Erklärungsansatz für die unterschiedliche Entwicklung des Wohlbefindens liefert Silke Anger: „Während junge Menschen des Abiturjahrgangs 2020 die Schule unmittelbar nach Ausbruch der Covid-19-Pandemie verließen, absolvierte der Abiturjahrgang 2021 noch ein gesamtes weiteres Schuljahr unter Covid-Bedingungen.“ Beide Abiturjahrgänge erreichten ihr Vorpandemie-Niveau mentaler Gesundheit und Lebenszufriedenheit im untersuchten Zeitraum bis zum Herbst 2021 nicht wieder.
Risiko von vorzeitigen Ausbildungs- oder Studienabbrüchen gestiegen
Die Schlussfolgerungen, die das Forschungsteam aus den Ergebnissen der Studie zieht, fasst Alexander Patzina zusammen: „Die Ausgestaltung bildungspolitischer Maßnahmen hat kurz- und langfristige Folgen. Wenn Schulen schließen oder Distanzunterricht einführen, kann sich das auf die psychische Gesundheit junger Menschen auswirken.“ Bildungspolitische Entscheidungen in der Covid-19-Pandemie können weitreichende Folgen für individuelle Lebensverläufe haben. Vor allem eine starke Verschlechterung der psychischen Gesundheit verändert Bildungsentscheidungen und Karrierepläne junger Menschen: So steigt das Risiko von vorzeitigen Ausbildungs- oder Studienabbrüchen, weil sie mit ihrer Entscheidung weniger zufrieden sind. Diese potentiellen individuellen Folgen sind wiederum mit ökonomischen Folgen verbunden. Denn Bildungsabbrüche und -wechsel verursachen Kosten, zum Beispiel für Beratungen und für einen längeren Zeitraum im Bildungssystem.
Die Studie gehört zum Forschungsschwerpunkt „Empirische Sozialforschung zu Bildung und Arbeit“ der Universität Bamberg: .
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