Psychische Reaktionen auf die COVID-19-Pandemie sind vielfältig: Die meisten Menschen sind resilient
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Forschende des Leibniz-Instituts für Resilienzforschung (LIR) in Mainz haben erstmals Studien zum Verlauf psychischer Belastungssymptome während der COVID-19-Pandemie mit Verläufen psychischer Gesundheit nach anderen Stressereignissen (z.B. Unfällen oder Verlusterlebnissen) verglichen. Sie haben festgestellt, dass auch während der Pandemie circa zwei Drittel der Menschen resilient reagieren, d.h. konstant wenig Belastungssymptome haben. Resilienz ist somit sowohl vor als auch während der Pandemie die häufigste Reaktion auf Stress. Darüber hinaus deuten die Ergebnisse darauf hin, dass junge Menschen stärker von den psychischen Folgen der Pandemie betroffen sind als ältere. Die Ergebnisse der Forschenden um den wissenschaftlichen Leiter des Instituts, Prof. Dr. Klaus Lieb, wurden vorab in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift Trends in Cognitive Sciences veröffentlicht.
Forschende des Leibniz-Instituts haben in einer systematischen Übersichtsarbeit 28 Einzelstudien zusammengefasst, die Verläufe psychischer Belastungssymptome während der COVID-19-Pandemie untersuchten. Erfasst wurden verschiedene Verlaufsformen sowie die Häufigkeit, mit der diese auftraten. Auch wurde untersucht, ob die Häufigkeit bestimmter Verläufe davon abhängt, wie alt die untersuchten Personen waren. Die Ergebnisse dieser Analysen wurden mit den Befunden der Gruppe von Forschenden um George Bonanno und Isaac Galatzer-Levy verglichen, die bereits 2018, also vor der Pandemie, Verläufe von Belastungssymptomen nach verschiedenen Stressereignissen auf individueller Ebene (z.B. Unfälle, Verlusterlebnisse) in gleicher Weise zusammengefasst hatte.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Verläufe der psychischen Gesundheit während der COVID-19-Pandemie denen bei anderen Stressereignissen vor der Pandemie ähneln. Dabei sind resiliente Verläufe, d. h. Verläufe mit einer konstant geringen Belastung, auch während der Pandemie mit 65,7 Prozent am häufigsten. Dies unterstreicht, dass Resilienz kein seltenes, sondern sogar ein sehr häufiges Phänomen ist. Verläufe, bei denen Personen sich von einer initial hohen Belastung erholt haben, wurden seltener (13 Prozent) als vor der Pandemie (20,8 Prozent) gefunden. In mehr Studien als vor der Pandemie wurden außerdem Verläufe identifiziert, die eine konstante Belastung auf mittlerem Niveau zeigten. Insbesondere Personen mit solchen Verläufen könnten ein besonderes Risiko aufweisen, langfristig eine psychische Erkrankung zu entwickeln.
Ebenso zeigt die Übersichtsarbeit, dass sich die Resilienz-Forschung während der Pandemie vor allem auf Erwachsene im mittleren Lebensalter konzentriert hat, während bei älteren Menschen sowie jungen Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen weiter hoher Forschungsbedarf besteht. Bisher vorhandene Studien legen nahe, dass ältere Menschen weniger durch die psychischen Folgen der Pandemie belastet sind als jüngere. Daher ist es wichtig zu verstehen, was ältere Menschen resilient reagieren und was jüngere Menschen zu einer Risikogruppe werden lässt. Auch gilt es zu verstehen, wie individuelle Belastungen (z.B. Kinderbetreuung) mit solchen auf gesellschaftlicher Ebene zusammenwirken. Auf diese Frage konnte die Pandemie-Forschung bislang keine ausreichende Antwort geben.
„Mit diesen Ergebnissen zeigen wir erstmals eine nahezu identische Häufigkeit resilienter Verläufe während der Pandemie wie nach anderen Stressereignissen, die eher auf individueller Ebene lagen. Das ist spannend, weil wir ein relativ homogenes Stressereignis auf gesellschaftlicher Ebene untersucht haben, und unterstreicht, dass Resilienz ein häufiges und kein seltenes Phänomen ist. Ebenso zeigt unsere Auswertung, dass ältere Menschen psychisch weniger durch die Pandemie belastet sind. Gerade das ist interessant, weil man zu Beginn der Pandemie davon ausging, dass ältere Menschen durch das höhere Risiko schwerer Krankheitsverläufe stärker psychisch belastet sein könnten. Wir wissen noch nicht, was diese resilienteren Reaktionen erklärt. Eine Möglichkeit wäre, dass der Umgang mit Stressereignissen im Laufe des Lebens gelernt und trainiert wird. Ebenso denkbar ist, dass jüngere Menschen stärker von pandemiebezogenen Stressoren betroffen waren. Ziel der Forschung muss es sein, diese Unterschiede über die Lebensspanne besser zu verstehen“, erläutert der wissenschaftliche Leiter des LIR, Prof. Dr. Klaus Lieb.
„Unsere Forschung und andere Befunde deuten darauf hin, dass vor allem junge Menschen stärker von den psychischen Folgen der Pandemie betroffen sind. Gründe hierfür könnten sein, dass die Pandemie in diesem Alter in zentrale sozioemotionale Entwicklungsphasen fällt, aber auch, dass sich im alltäglichen Leben mehr verändert hat – beispielsweise durch die Schließung von Schulen und Universitäten oder den Wegfall von Betreuungsangeboten. Natürlich ist auch die Pandemie kein einheitliches Stressereignis für alle Menschen. Für einige kann das Leben ohne große Veränderungen weitergegangen sein, während andere Menschen eine Vielzahl von Stressereignissen erlebt haben. Dieser Aspekt ist wichtig, aber leider noch zu wenig durch die Forschung beleuchtet“, ergänzt die Erstautorin der Studie, Dr. Sarah Schäfer, ebenfalls vom LIR.
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