25.11.2023

Kritik an EU-Vorschlag zur Korruptionsbekämpfung

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(hib/SCR) Der Rechtsausschuss hat sich am 13.11.2023 mit einem Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zur Bekämpfung der Korruption befasst. Die Sachverständigen äußerten sich überwiegend kritisch zu dem Vorschlag und mahnten teils erhebliche Nachbesserungen an. Mit der Richtlinie will die Kommission neben einer Stärkung der Prävention und der Gewährleistung der Strafverfolgung auch die Definitionen von Straftaten im Zusammenhang mit Korruptionsdelikten harmonisieren und die strafrechtlichen Sanktionen verschärfen.

Details zum Richtlinienvorschlag: https://germany.representation.ec.europa.eu/news/eu-kommission-will-korruptionsbekampfung-verstarken-2023-05-03_de

Ein wesentlicher Punkt in der Anhörung war die Frage, ob die in Artikel 7 des Richtlinienvorschlags vorgesehene Gleichstellung von Amts- und Mandatsträgern im Bereich der Bestechung und Bestechlichkeit mit dem verfassungsrechtlich garantierten freien Mandat von Abgeordneten vereinbar sein würde. Aktuell wird in Deutschland die Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern anders geregelt als die von Amtsträgern.

Das Gros der Sachverständigen sah in diesem Regelungsvorschlag kein Problem in diesem Sinne. Angelika Allgayer, Richterin am Bundesgerichtshof, führte aus, dass der Richtlinienvorschlag zwar eine Gleichstellung bedeute, aber genügend Raum in der Umsetzung für strukturelle Unterschiede zwischen Abgeordneten und Mandatsträgern lasse. In den Verhandlungen zu der Richtlinie sollte ihrer Meinung nach aber auf eine Klarstellung hingewirkt werden, nach der keine vollständige Gleichstellung von Amts- und Mandatsträgern vorgesehen sei, sagte die von der CDU/CSU-Fraktion benannte Sachverständige.

Ähnlich äußerte sich der ebenfalls von der CDU/CSU-Fraktion benannte Rechtswissenschaftler Professor Jörg Eisele (Universität Tübingen). Es gebe keine „Strafbarkeitsfalle“ für Abgeordnete, sagte Eisele.

Der von der FDP-Fraktion benannte Rechtswissenschaftler Professor Marco Mansdörfer wiederum sah den Richtlinienvorschlag mit Blick auf die Freiheit des Mandates als zu weitgehend an. Die vorgeschlagene Regelung beeinträchtige das freie Mandat in unangemessener Weise, sagte der Jurist.

Der Rechtswissenschaftler Erol Pohlreich (Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder) schlug vor, den vorgeschlagenen Artikel 7 zu modifizieren. Unter anderem sollte laut Pohlreich nicht mehr auf einen „Vorteil jedweder Art“ abgestellt werden, sondern auf „ungerechtfertigte Vorteile“. Es müsse sichergestellt werden, dass die Annahme rechtlich zulässiger Vorteile nicht kriminalisiert werde.

Grundsätzlich hatten die Sachverständigen weniger ein Problem mit dem Artikel 7, sondern vielmehr mit den übrigen Regelungen des Vorschlags. Der Entwurf sei inhaltlich unausgereift und „lässt kein strukturiertes Konzept erkennen“, bemängelte etwa Rechtswissenschaftler Eisele.

Die Richtlinie sei „dringend und grundlegend überarbeitungsbedürftig“, sagte auch der Rechtswissenschaftler Professor Michael Kubiciel (Universität Augsburg). Wie auch andere Juristen in der Anhörung problematisierte der von der CDU/CSU-Fraktion benannte Sachverständige zudem, ob die EU überhaupt die Kompetenz für die verschiedenen Regelungsvorschläge habe.

Der Rechtswissenschaftler Professor Kilian Wegner (Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder) sagte, dass Artikel 7 nicht so schlimm sei wie sein Ruf, „der Rest der Richtlinie ist umso schlimmer“. Sie bedrohe die „Souveränität der Bundesrepublik in Strafrechtssachen“ und dürfe in dieser Form nicht beschlossen werden, forderte der von der SPD-Fraktion vorgeschlagene Sachverständige.

Ähnlich äußerte sich der von der SPD-Fraktion benannte Rechtswissenschaftler Professor Frank Zimmermann (Universität Münster). Die Probleme rund um Gleichstellung von Mandats- und Amtsträgern sei nur die „Spitze des Eisberges“. Das Gesamtpaket würde zu großen Brüchen in der deutschen Rechtsordnung führen. Zudem mahnte Zimmermann an, strafrechtliche Regelungen mit Bedacht einzusetzen. Die Richtlinie gehe damit an „etlichen Stellen“ zu weit. Er warnte, dass Korruptionsvorwürfe rasch missbraucht werden könnten, um politische Gegner kaltzustellen. „In Zeiten der grassierenden Rechtsstaatskrise könnte sich die Annahme des von der Kommission vorgelegten Entwurfs als fatal erweisen und letztlich einen Vorwand für die Verfolgung von Oppositionspolitikern liefern“, warnte der Sachverständige.

Timo Lange von Lobbycontrol warb dafür, dass Deutschland bei diesem Thema auf EU-Ebene „treibend vorangehen“ solle statt zu bremsen. Lobbycontrol unterstütze das „grundlegende Ansinnen der EU-Richtlinie“. Viele der aufgeworfenen Fragen seien lösbar, befand der auf Vorschlag der SPD-Fraktion eingeladene Lange. Der Kampf gegen Korruption sei wichtig, um die Demokratie zu schützen. So sei Korruption in besonderer Weise dazu geeignet, „das Vertrauen in die Demokratie, in demokratische Institutionen und Verfahren zu gefährden“, so der Sachverständige.

Ähnlich äußerte sich für „Transparency International“ Anna-Maija Mertens. Mertens verwies darauf, dass mit der Richtlinie die UN-Konvention gegen Korruption vollständig umgesetzt werden sollte. Es sei ein „große Chance“, dass damit die richtigen Themen und Sachverhalte angegangen und geregelt würden.

Das Video der Anhörung, die Sachverständigenliste sowie die Stellungnahme der Sachverständigen auf bundestag.de: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw46-pa-recht-bekaempfung-korruption-976316

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